Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt grundsätzlich ein vorwerfbares, also schuldhaftes Verhalten voraus. Eine Pflichtverletzung ist dem Arbeitnehmer nur vorwerfbar, wenn er seine Handlungsweise steuern, also willentlich beeinflussen konnte. Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB begründen sollen. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits substantiiert vorzutragen. Nur die im Rahmen der insofern abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen.
Der Entscheidung lag der nachfolgende Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen verhaltensbedingten Kündigung.
Der am 1964 geborene Kläger ist mit einem Grad der Behinderung von 60 schwerbehindert. Er ist bei der beklagten Stadt seit dem 03.08.1990 als technischer Angestellter beschäftigt. Der Kläger ist aufgrund tarifvertraglicher Regelungen wegen seiner langen Betriebszugehörigkeit ordentlich unkündbar.
Am 28.07.2016 kam es zu einer tätlichen Auseinandersetzung im Betrieb der Beklagten, bei welcher der Kläger einem Arbeitskollegen einen Faustschlag ins Gesicht versetzte. Wegen dieses Verhaltens wurde der Kläger von der Beklagten mit Schreiben vom 02.08.2016 abgemahnt.
Am 27.05.2019 kam es zu einem weiteren Vorfall bei der Beklagten. Der Kläger, der zu diesem Zeitpunkt arbeitsunfähig erkrankt war (Diagnose des Hausarztes: „Burnout“), wurde von seiner Ehefrau in den Eigenbetrieb Technische Dienste der Beklagten gefahren, um dort eine aktuelle Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung einzureichen. Die Beklagte wirft dem Kläger vor, sodann aggressiv geworden zu sein und zwei Arbeitskolleginnen schwer beleidigt zu haben. Der Kläger behauptet aufgrund von übermäßigem Drogenkonsum an den Vorfall keine Erinnerung zu haben.
Die Beklagte lud den Kläger zu einem Anhörungsgespräch über diesen Vorfall zum 03.06.2019 ein. Der Kläger meldete sich nicht. Am 03.06.2019 wurde er – auf Anordnung des Amtsgerichts Düren – in die L eingeliefert, nachdem es zu einem Vorfall in seiner Wohnung gekommen war und seine Ehefrau die Polizei verständigt hatte. Bei diesem Vorfall stand der Kläger nach eigenen Angaben unter Drogeneinfluss. Am 24.06.2019 wurde der Kläger – gegen ärztlichen Rat – in die weitere hausärztliche Behandlung entlassen.
Mit Schreiben vom 24.06.2019 teilte das Integrationsamt der Beklagten mit, dass es innerhalb einer Frist von zwei Wochen keine Entscheidung getroffen habe, so dass die Zustimmung zur Kündigung nach § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX als erteilt gelte.
Die Beklagte kündigte dem Kläger mit Schreiben vom 24.06.2019 außerordentlich und fristlos, hilfsweise unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30.09.2019, äußerst hilfsweise unter Berücksichtigung der fiktiven ordentlichen Kündigungsfrist mit sozialer Auslauffrist zum 31.12.2019.
Dagegen hat sich der Kläger mit seiner am 03.07.2019 beim Arbeitsgericht Aachen eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt.
Er hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam. Er behauptet, er habe am Tag des Kündigungsvorfalls am 27.05.2019 unter massivem Drogeneinfluss gestanden. Er könne sich daher nicht an die ihm vorgeworfenen Beleidigungen erinnern. Nach Angaben seiner Ehefrau habe er schon zu diesem Zeitpunkt ein auffälliges Verhalten gezeigt. Er habe ununterbrochen geredet, sei äußerst unruhig gewesen und erst nach massiver Anweisung der Ehefrau in der Lage gewesen, das Haus zu verlassen. Auch in den Tagen vor seiner Krankschreibung habe er auffälliges Verhalten seinen Arbeitskollegen gegenüber gezeigt, die nach seiner Kenntnis diese Verhaltensänderung auch den Vorgesetzten mitgeteilt hätten. Im Zeitpunkt des Vorfalls habe er unter dem Einfluss von Amphetaminen gestanden. Dies wäre auch damals bei dem Sachverhalt, der den Anlass zu seiner Abmahnung gegeben habe, der Fall gewesen. Nach diesem Vorfall im August 2016 sei er bis wenige Monate vor dem hier streitigen Vorfall clean gewesen. Er nehme Amphetamine um seine Arbeitsbelastung und auch seine psychischen Probleme zu bekämpfen. Er habe aufgrund eines häuslichen Unfalls im Alter von 2 Jahren schwerste Verbrennungen davongetragen. Diese Verbrennungen und auch die damals dabei erlittene Hüftverletzung begleiteten ihn sein Leben lang. Aus diesem Grund sei er auch zu 60 % schwerbehindert. Er sei krank. Entsprechen habe die Beklagte als Arbeitgeber auch andere Maßstäbe anzulegen. Er habe sein beanstandetes Verhalten nicht beeinflussen können. Die von der L diagnostizierte psychotische Störung äußere sich in einem Verlust an Realitätsbewusstsein. Er steigere sich in Kleinigkeiten hinein und sei auch aggressiv. Genau dieses Verhalten habe er auch am 27.05.2019 gezeigt.
Selbst wenn die Vorwürfe zutreffend seien, rechtfertigten diese keine Beendigung seines fast dreißigjährigen Arbeitsverhältnisses. Dabei sei zu berücksichtigen, dass er aufgrund des Drogenkonsums nicht schuldfähig gewesen sei. Zudem sei die Kündigung auch aufgrund seiner langjährigen beanstandungsfreien Beschäftigung unverhältnismäßig. Eine Abmahnung wäre ausreichend gewesen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei wirksam. Die massiven Beleidigungen des Klägers gegenüber zwei Arbeitskolleginnen am 27.05.2019 seien ein wichtiger Kündigungsgrund. Er habe hierbei eine Kollegin als „zu doof zur Arbeit“, „doofe Schlampe“ und „alte Fotze“ bezeichnet. Außerdem habe er gesagt, er würde „einen großen Dildo kaufen und der Kollegin unten reinstecken“. Dabei habe er sich bedrohlich verhalten. Die Beleidigungen stünden klar auf niedrigster Stufe und rechtfertigten auch ohne vorherige Abmahnung die außerordentliche Kündigung. Zu berücksichtigen sei dabei auch, dass der Kläger bereits einmal wegen einer Tätlichkeit abgemahnt worden sei. Die Kündigung sei daher auch verhältnismäßig. Der Kläger könne den Vorfall auch nicht mit Nichtwissen bestreiten, da er sein eigenes Handeln betreffe.
Jedenfalls sei die hilfsweise mit sozialer Auslauffrist ausgesprochene Kündigung wirksam, da der Kläger diese gar nicht angegriffen habe. Nachweislich des Wortlautes des gestellten Klageantrages wende dieser sich nur gegen die außerordentliche Kündigung.
Hierzu führte das Gericht aus:
Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.06.2019 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien weder fristlos noch unter Einhaltung einer sozialen Auslauffrist zum 30.09.2019 oder 31.12.2019 aufgelöst. Das Berufungsgericht schließt sich der zutreffenden Begründung des Arbeitsgerichts an. Die Berufung der Beklagten enthält keine neuen rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkte, die eine andere Entscheidung rechtfertigen könnten.
Die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 24.06.2019 hat das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht fristlos beendet. Es fehlt an einem wichtigen Kündigungsgrund gemäß § 626 Abs.1 BGB. Dies hat das Arbeitsgericht zu Recht mit zutreffender Begründung festgestellt.
Gemäß § 626 Abs. 1 BGB kann das Arbeitsverhältnis ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses selbst bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Dabei ist zunächst zu untersuchen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“ und damit typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist. Alsdann bedarf es der weiteren Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zumutbar ist oder nicht.
Die Beklagte beruft sich zur Begründung ihrer außerordentlichen Kündigung allein auf verhaltensbedingte Gründe. Nämlich, dass der Kläger am 27.05.2019 bei Abgabe seiner Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit im Eigenbetrieb Technische Dienste der Beklagten die dort anwesenden beiden Mitarbeiterinnen grob beleidigt hat, indem er eine Kollegin als „zu doof zur Arbeit“, „doofe Schlampe“ und „alte Fotze“ bezeichnet habe. Außerdem habe er gesagt, er würde „einen großen Dildo kaufen und der Kollegin unten reinstecken“. Dabei habe er sich bedrohlich verhalten.
Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass dieses Verhalten des Klägers – als wahr unterstellt – als grobe Beleidigung der beiden Arbeitskolleginnen anzusehen ist, die an sich geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.
Eine verhaltensbedingte Kündigung setzt allerdings – wovon auch das Arbeitsgericht ausgegangen ist – grundsätzlich ein vorwerfbares, also schuldhaftes Verhalten voraus. Eine Pflichtverletzung ist dem Arbeitnehmer nur vorwerfbar, wenn er seine Handlungsweise steuern, also willentlich beeinflussen konnte. Der kündigende Arbeitgeber ist darlegungs- und beweispflichtig für alle Umstände, die einen wichtigen Grund i.S.v. § 626 Abs. 1 BGB begründen sollen. Ihn trifft die Darlegungs- und Beweislast auch für diejenigen Tatsachen, die einen vom Gekündigten behaupteten Rechtfertigungsgrund ausschließen. Allerdings hat hierzu der Arbeitnehmer seinerseits nach § 138 Abs. 2 ZPO substantiiert vorzutragen. Nur die im Rahmen der insofern abgestuften Darlegungs- und Beweislast vom Arbeitnehmer behaupteten Tatsachen hat der Arbeitgeber zu widerlegen.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass es hieran fehlt. Die Beklagte hat – auch in der Berufung – nicht dargelegt, dass der Kläger sein Verhalten am 27.05.2019 – als wahr unterstellt – steuern, also willentlich beeinflussen konnte und es sich daher um eine vorwerfbare, schuldhafte Pflichtverletzung gehandelt hat.
Der Kläger hat vorgetragen dass er sich an den Kündigungsvorfall nicht mehr erinnern kann, da er am 27.05.2019 unter massivem Drogeneinfluss gestanden habe. hinreichend substantiiert zu seiner fehlenden Schuldfähigkeit am 27.05.2019 vorgetragen hat. Nach Angaben seiner Ehefrau habe er schon zu diesem Zeitpunkt ein auffälliges Verhalten gezeigt. Er habe ununterbrochen geredet, sei äußerst unruhig gewesen und erst nach massiver Anweisung der Ehefrau in der Lage gewesen, das Haus zu verlassen. Auch in den Tagen vor seiner Krankschreibung habe auffälliges Verhalten seinen Arbeitskollegen gegenüber gezeigt, die nach seiner Kenntnis diese Verhaltensänderung auch den Vorgesetzten mitgeteilt hätten. Im Zeitpunkt des Vorfalls habe er unter dem Einfluss von Amphetaminen gestanden. Dies wäre auch damals bei dem Sachverhalt, der den Anlass zu seiner Abmahnung gegeben habe, der Fall gewesen. Nach diesem Vorfall im August 2016 sei er bis wenige Monate vor dem hier streitigen Vorfall clean gewesen. Er nehme Amphetamine um seine Arbeitsbelastung und auch seine psychischen Probleme zu bekämpfen. Er habe im Alter von 2 Jahren aufgrund eines häuslichen Unfalls schwerste Verbrennungen davongetragen. Diese Verbrennungen und auch die damals dabei erlittene Hüftverletzung begleiteten ihn sein Leben lang. Aus diesem Grund sei er auch zu 60 % schwerbehindert. Er sei krank. Entsprechen habe die Beklagte als Arbeitgeber auch andere Maßstäbe anzulegen. Er habe sein beanstandetes Verhalten nicht beeinflussen können. Die von der LVR-Klinik diagnostizierte psychotische Störung äußere sich in einem Verlust an Realitätsbewusstsein. Er steigere sich in Kleinigkeiten hinein und sei auch aggressiv. Genau dieses Verhalten habe er auch im Büro des Eigenbetriebs am 27.05.2019 gezeigt. Denn er habe – die Richtigkeit des Beklagtenvortrags unterstellt – ohne jeden Anlass und völlig grundlos die behaupteten Beleidigungen gegenüber den beiden Kolleginnen, mit denen er überhaupt keinen Streit gehabt hätte, ausgesprochen. Die Annahme eines psychischen Ausnahmezustandes dränge sich geradezu auf. Die Beklagte habe aufgrund des anwaltlichen Schreibens vom 12.06.2019 auch zum Zeitpunkt der Kündigung gewusst, dass er – der Kläger – durch richterliche Anordnung nach Düren verbracht worden sei. Dennoch habe sie ihn so behandelt als sei er gesund und für sein Verhalten verantwortlich.
Bestätigt wird der Vortrag des Klägers dadurch, dass er unstreitig am 03.06.2019 – auf Anordnung des Amtsgerichts Düren – in die L eingeliefert worden ist, nachdem es zu einem Vorfall in seiner Wohnung gekommen war und seine Ehefrau die Polizei verständigt hatte. Bei diesem Vorfall stand der Kläger nach eigenen Angaben unter Drogeneinfluss. Am 24.06.2019 wurde der Kläger – gegen ärztlichen Rat – in die weitere hausärztliche Behandlung entlassen. In dem Entlassbrief der Klinik wird zur Diagnose u.a. ausgeführt:
„Psychotische Störung durch multiplen Substanzgebrauch, Nichtintravenöser Konsum (Meth-) Amphetamin-haltiger Stoffe, Abhängigkeit von Cannabis“.
Die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte ist diesem Vortrag des Klägers, der substantiiert darlegt, dass ihm das der Kündigung zugrundeliegende Verhalten – als wahr unterstellt – nicht als willentliches , schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist, nicht mit erheblichem Sachvortrag entgegengetreten. Sie beschränkt sich im Wesentlichen darauf, dass der der Entlassbrief der Klinik nicht als Beweis für die Tatsache geeignet sei, dass der Kläger bereits am 27.05.2019 „schuldlos“ gehandelt habe, da er sich allein auf Vorgänge beziehe, die sich erst am 03.06.2019 zugetragen hätten. Dies berücksichtigt jedoch nicht, dass der Kläger – nach seinem von der Beklagten nicht widerlegten substantiierten Vortrag – schon vor dem 27.05.2019 durch einen Rückfall wieder drogensüchtig geworden ist und auch an diesem Tag unter massivem Drogeneinfluss gestanden hat, der keine willentliche Steuerung seines Verhaltens zuließ.
Es trifft auch nicht zu, dass – wie die Beklagte behauptet – für sie kein Anlass bestanden hat, an der Vorsätzlichkeit und damit Vorwerfbarkeit des Handelns des Klägers zu zweifeln. Denn spätestens aufgrund des Schreibens des Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 12.06.2019, war für die Beklagte erkennbar, dass der Kläger wegen Drogenabhängigkeit schwer erkrankt war. Denn er wurde am 03.06.2019 auf richterliche Anordnung „nach D “, also in die Psychiatrie eingewiesen. Deshalb ist der Kläger auch nicht zum Anhörungsgespräch am 03.06.2019 erschienen. Die Beklagte hätte nach dem Anwaltsschreiben vom 12.06.2019 begründete Veranlassung gehabt, den Kündigungssachverhalt weiter aufzuklären, insbesondere den Kläger nach Entlassung aus der Klinik anzuhören und ggfs. auch das Integrationsamt darüber zu unterrichten. Dies hat sie jedoch nicht getan, sondern dem Kläger– nach fingierter Zustimmung des Integrationsamtes gemäß § 174 Abs. 3 Satz 2 SGB IX – am 24.06.2019 gekündigt.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht auch festgestellt, dass die außerordentliche Kündigung des Klägers hier nicht ausnahmsweise auch bei schuldlosem Verhalten gerechtfertigt ist.
Mit dem Arbeitsgericht ist davon auszugehen, dass unter besonderen Umständen auch schuldlose Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers ausnahmsweise einen wichtigen Grund zur verhaltensbedingten Arbeitgeberkündigung sein können. Hierzu ist jedoch erforderlich, dass das – schuldlose – Fehlverhalten des Arbeitnehmers die betriebliche Ordnung derart nachhaltig stört, dass dem Arbeitgeber eine Aufrechterhaltung dieses Zustandes selbst dann nicht zumutbar ist, wenn der Arbeitnehmer seine Vertragspflichtverletzung nicht zu vertreten hat. Gefährdet etwa der Arbeitnehmer durch sein Fehlverhalten die Sicherheit des Betriebes oder stört durch fortlaufende Tätlichkeiten, schwerste Beleidigungen etc. schwerwiegend die betriebliche Ordnung, so muss der Arbeitgeber unter Umständen äußerst schnell hinreichende Maßnahmen ergreifen, um ein weiteres derartiges Fehlverhalten, das eine Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers unzumutbar macht, durch eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit diesem Arbeitnehmer zu unterbinden. Für die oft nur durch Sachverständigengutachten mögliche Klärung der Frage, ob der Arbeitnehmer für sein Fehlverhalten auch voll verantwortlich ist, bleibt in sicherheitsrelevanten Fällen oft keine Zeit mehr.
Ein derartiger Ausnahmefall ist hier nicht gegeben. Weder hat der Kläger mit seinem Verhalten am 27.05.2019 – als wahr unterstellt – die Sicherheit des Betriebes der Beklagten gefährdet oder durch fortlaufende schwerste Beleidigungen oder sogar Tätlichkeiten schwerwiegend die betriebliche Ordnung gestört. Vielmehr handelte es sich um einen Einzelfall in einer Ausnahmesituation. Der Kläger war im Übrigen vor und nach diesem Vorfall nicht im Betreib, da er arbeitsunfähig krankgeschrieben war und sich – wie die Beklagte wusste –ab dem 03.06.2019 in der psychiatrischen Klinik in Düren aufhielt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zutreffende Begründung des Arbeitsgerichts verwiesen, mit der sich die Beklagte in der Berufung nicht im Einzelnen auseinandergesetzt hat.
Aus den vorgenannten Gründen ist hier auch unter dem Gesichtspunkt der gebotenen Interessenabwägung wegen der Drogenerkrankung des Klägers unter Berücksichtigung seiner langjährigen – bis auf den Vorfall im August 2016 – störungsfreien Beschäftigung kein wichtiger Kündigungsgrund gegeben.
Zu Recht hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass, da es an einem wichtigen Kündigungsgrund fehlt, auch die zugleich hilfsweise ausgesprochene außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist – zum 30.09.2019 und zum 31.12.2019 – unwirksam sind.
LAG Köln, 18.06.2020 – Az: 8 Sa 670/19
ECLI:DE:LAGK:2020:0618.8SA670.19.00